Im Lenzmond war’s. Ein Sonntag, hell und klar wie heute,
Da klang vom Stadtdom her ein dumpfes Grabgeläute
Und eine Menge Volks umdrängte stumm dies Haus,
Aus dem sie weinend trugen einen Sarg heraus,
In dem ein Dichter lag, der Lied um Lied gesungen,
Bis daß vom Schmerz erdrückt sein armes Herz zersprungen.
Ein Dichter war’s, der mit der Seele ganzem Sehnen
Voll heißem Heimweh suchte nach dem Ewigschönen;
Ein Träumer war’s, der irrte fort in weite Fernen
Hoch über sich hinaus nach unerreichten Sternen;
Ein Einsamstiller war’s, ein Welt- und Wegemüder,
Der sich verschenkte in dem Goldquell seiner Lieder;
Und auch ein Dulder war’s, der bis ans Ziel geschritten
Mit stolzem Haupt, wie viel und schwer er auch gelitten!
Nun ruht er längst da draußen vor der lauten Stadt,
Die er geliebt als seine zweite Heimat hat,
Auf der sein ernstes Auge zärtlich oft geruht,
Wenn er vorm Hause saß in stiller Abendglut,
Voll weisem Sinn der dunkeln Lebensrätseln sann
Und leidverklärt sich tief in lichte Träume spann,
Bis eine letzte Nacht ihm gab die letzte Ruh: —
Und dieser Dichter, Stephan Milow, der warst du!
Du warst’s, der wunschlos still im Lenzmond schied von hier
Für ewig — weh, ein Unsterblicher starb mit dir!
Ein Güterreicher, der sein ganzes Lebenlang
Ums Herz des deutschen Volkes warb, bis er’s bezwang,
Bis er ein Heimrecht fand im deutschen Sprachgebiet
Für sich und das, woran sein Herzblut hing; sein Lied!
[S. 23]
Sein Lied, das wie Gebet klingt durch die Not der Welt,
Wie Sonntagsglocken, die sich schwingen übers Feld,
Und hoch erhebt, so hoch ein Lied es nur vermag,
Zu Licht und Frieden und der Seele Feiertag...
Was du im Lied verschenkt an Menschentrost und Glück,
Gab, Milow, zögernd nur das Schicksal dir zurück!
Denn spät, als schon dein Weg in Dämmrung sich verlor,
Grünte aus Dornen erst der Lorbeer dir empor;
Und als zu müd du warst, um dich noch laut zu freu’n,
Goß über dich der Ruhm erst seinen Spätherbstschein,
Um zu versöhnen dich noch vor des Lebens Endung
Mit deinem Erdgeschick und deiner Dichtersendung.
Doch weil du abseits gingst, fern allem Marktgedränge,
Wardst du verkannt, zu spät verstanden von der Menge.
Zu spät! Das war die Lebenstragik schon von Vielen
Und war es auch bei dir und deinen höchsten Zielen!
Mehr aber noch: dein Glück und Unglück war’s zugleich,
Daß du ein deutscher Dichter warst in Oesterreich!
Wie dem auch sei, an deines Hügels Grabzypressen
Seufzt deutsches Leid um dich — du bleibst uns unvergessen!
Und als der Nachwelt Dank blinkt hell in Erz gebaut
An diesem Haus dein Bild, wie Liebe dich geschaut.
Dein Bild in Erz und Stein, das Kind und Kindeskind
Soll mahnen noch an dich, wenn längst wir nicht mehr sind;
Soll wie dein Lied uns sein von dir noch eine Fährte,
Wenn längst dein Staub zerfiel in kühler, deutscher Erde!
— Dir, Milow, ward zuletzt, was du ersehnt, beschieden.
Nur uns umklirrt noch Kampf. Wann kommt für uns der Frieden?
Allmächt’ger Gott, zu dem wir betend flüchten
In dieser wirren Zeit, da Völker sich vernichten,
Laß endlich Friede sein! Tilg aus den Weltenbrand
Und gib uns Sieg und segne unser Vaterland!